Wut - Die Kraft für Abgrenzung und Veränderung

Lesezeit: 4 Minuten  -  Foto: Morgan Mercier

 

 

 

Lachen, Weinen, Schreien, Schweigen - unsere Verhaltensmuster sind Überlebensstrategien. Sie müssen sich in unserer Kindheit bewährt haben, denn sonst hätten wir sie uns damals nicht angeeignet. Sie dienten dazu Liebe und Schutz zu sichern und sind Ausdruck unser aller Streben nach Glück.

Letztendlich lassen sich diese unzähligen Verhaltensweisen auf drei Urformen herunterbrechen. Im Englischen heißt es: „Move toward, move against, move away“, was ich gerne mit „Anpassung, Rebellion, Rückzug“ übersetze. Oder positiver ausgedrückt: „Annehmen, Ändern, Abgrenzen“. 

 

Je nach unserem Naturell aber auch abhängig von den Umständen unseres Aufwachsens haben wir unbewusst nach diesen Mustern gehandelt. Obwohl die meisten sich mit einer dieser drei Formen ganz besonders identifizieren können, haben wir natürlich alle eine bunte, aufregende Mischung, die es zu entdecken gilt.

  

 

 

Der Zorn ist ein ganz besonderes Gefühl, da er sowohl das Potential für Angriff als auch Abgrenzung in sich birgt. Wer zornig ist, weiß, wenn gerade etwas Unrechtes geschehen ist, kann somit klar Gutes von Schlechtem trennen.
Kinder, die zornig schreien, wenn sie Hunger haben, machen letztendlich nur auf sich aufmerksam, um etwas an der Situation zu ändern. Und genau das ist es, was wir mit der unfassbaren Energie tun sollten, die der Zorn in uns freisetzt: sie nutzen, um an unseren derzeitigen Vorstellungen und Bedingungen zu rütteln.

 

Wichtig ist hierbei, dass wir erkennen, welche Bedingungen wandelbar sind und welche nicht. Wenn wir feststellen, dass etwas unabänderlich ist, so sollten wir die Energie des Zorns nutzen, um uns klar und deutlich abzugrenzen.
Genau das ist der Grund, weshalb Menschen, die ihren Zorn unterdrücken, oft Schwierigkeiten haben sich durchzusetzen oder abzugrenzen. Wer wütend ist, kann nicht allen gefallen, weshalb sich viele sträuben die Wut zuzulassen.
So geschieht es oft, dass Menschen, die nicht gelernt haben mit ihrer Wut umzugehen, sich sehr schnell anpassen und unterordnen. Die vermeintlich stärkere Person wird als dominant und aggressiv abgespeichert und durch das eigene Verhalten „erzieht“ man das Gegenüber zum Täter. Dies wird in der Psychologie als Täter-Opfer-Perversion bezeichnet.


Ein besonders geschickter Trick der unterdrückten Wut ist es, sich selbst und anderen vorzumachen, dass man „über den Dingen“ steht  und die Situation so annimmt, wie sie ist. Obwohl das natürlich eine edle Fähigkeit ist, sollten wir immer prüfen, ob sich dahinter nicht eine Angst vor Konfrontation und Zurückweisung versteckt. Tatsächlich können wir nur sicher über unsere Grenzen gehen, wenn wir sie vorher klar gesetzt haben und wissen wo sie sind.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    No B.S. (Dienstag, 16 Juli 2019 18:18)

    Ein so wichtiges Thema.
    Auf den Punkt getroffen, für mich folgen darauf viele Fragen.

    Wenn Zorn und Wut so legitim in ihrem Nutzen für Besitzer/ in sind, wo zieht man die Grenze - Wann sollte es trotzdem nicht rausgelassen werden?
    Ist Nichtzulassen von Wut zu jeder Zeit ein Zeichen fehlender Selbstpriorität und -fürsorge?